Selbstfürsorge: Zufriedenheit im Beruf und Privatleben dauerhaft erhalten

Der Begriff der Selbstfürsorge entstand bereits während der 80er Jahre im Gesundheitswesen. Hintergrund war vermutlich eine gestiegene Sensibilität für die hohe und fortlaufende Arbeits- und Stressbelastungen vor allem in Heilberufen und das damit verbundene erhöhte Risiko, selbst körperlich oder psychisch zu erkranken. Heute ist dieser Begriff nicht mehr auf einzelne Berufsgruppen beschränkt und es kommt ihm vor allem in Zusammenhang mit der Prävention von Stresserkrankungen (wie beispielsweise dem „Burn-Out-Syndrom“) eine wichtige Bedeutung zu. Der Begriff Selbstfürsorge kann dabei als ein Sammelbegriff für verschiedene Merkmale verstanden werden, die dem langfristigen Erhalt der eigenen Leistungsfähigkeit, der körperlichen und seelischen Gesundheit sowie der Lebenszufriedenheit und –freude dienen sollen.

Wichtige Merkmale der Selbstfürsorge sind beispielsweise:

  • Wahrnehmen & Befriedigen eigener (Grund)Bedürfnisse
  • Erkennen & Einhalten eigener Leistungsgrenzen
  • Ausreichende Selbstbestimmung im beruflichen Alltag
  • Eigene Freiräume schaffen und erhalten
  • Realistische Erwartungshaltung an die eigene Leistungsfähigkeit
  • Möglichkeiten Stressregulation & Sensibilität für körperliche und mentale Prozesse

Die Befriedigung von Grundbedürfnissen hält unseren Körper und unsere Psyche funktionsfähig. Bereits die Missachtung einzelner Grundbedürfnisse wie ausreichende Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme oder Schlaf kann kurzfristig zur Abnahme von Konzentration, Leistungsfähigkeit und Ausdauer, zu innerer Unruhe oder körperliche Anspannung führen. Unsere Belastungsgrenze sinkt und aversive Affekte (z.B. Ärger) können vermehrt auftreten. Nehmen wir den Ärger nach der Arbeit mit nach Hause, so riskieren wir sogar Konflikte in unserer sicheren Umgebung. Ein gutes Pausenmanagement, regelmäßige Ess- und Trinkpausenpausen sind also Voraussetzung für körperliche Leistung. Oft haben wir durch einen langen Arbeitstag den Eindruck, der Tag habe uns selbst noch nicht genug Zeit zur Verfügung gestellt und wir versuchen, uns nach der Arbeit durch den vermehrten Einsatz von Belohnungen (z.B. Fernsehen, Süßigkeiten, reichhaltiges Essen, Alkohol) für unseren Einsatz zu entschädigen. Insbesondere lange Fernseh- oder Computerabende bis spät in die Nacht, regelmäßiger Alkoholkonsum am Abend oder reichhaltige Mahlzeiten (um die übergangenen Essenpausen zu kompensieren) aktivieren und fordern den Körper –  er darf noch nicht zu Ruhe kommen. Fragen Sie sich selbst „Was genau brauche ich jetzt bzw. was kann ich mir heute Gutes tun?“ und durchbrechen Sie so wiederkehrende Rituale und kurzfristige sowie vermeintliche Belohnungsstrategien, die bei genauer Betrachtung eigentlich zusätzliche Stressoren darstellen.

Auch das Übertreten der eigener Leistungsgrenzen wird uns von unserem Körper und unserer Psyche durch körperliche Erschöpfung und Müdigkeit, Schlafprobleme, Konzentrationsprobleme, Antriebsprobleme, Stimmungsveränderungen und Reizbarkeit oder langfristig sogar durch somatoforme Beschwerden (z.B. Verspannungen, Muskel- und Kopfschmerzen sowie Nervosität, häufige Krankheiten) angezeigt. Einige dieser Beschwerden treten sogar erst nach einer längeren Belastungsphase auf. Zur Vermeidung von Belastungsübertretungen setzen Sie sich realistische Ziele für Ihren Arbeitsalltag und akzeptieren sie auch mal einen schlechten Tag. Hinterfragen Sie sich selbst: Der ideale Arbeitnehmer hat viele wünschenswerte Eigenschaften und erreicht immer seine Arbeitsziele – aber realistisch betrachtet: Was kann ich – selbst unter idealen Bedingungen kurz und langfristig erreichen und hängt das Erreichen meiner Leistungsziele ausschließlich von mir selbst ab? Erhalte ich meine Arbeitszufriedenheit, wenn ich es wiederholt riskiere, mich selbst zu überfordern?

Die Selbstbestimmung unseres Lebens in Form von aktiver Freizeitgestaltung übernimmt häufig das Gegengewicht zur beruflichen Fremdbestimmung. Hierzu gehört das Ausüben eigener Interessen, Hobbys und angenehmer Aktivitäten nach eigenen Vorstellungen, das Gestalten einer erfüllenden Partnerschaft oder eines zufriedenstellenden sozialen Netzwerks, dem ich nicht immer nur mein „lachendes Gesicht“ zeigen muss. Durch berufliche Verantwortungsübernahme und Belastungen, familiäre Verpflichtungen oder andere Verantwortungen sehen sich Menschen oft dauerhaft gezwungen, ihre Freizeitaktivitäten zu reduzieren. Diese Aktivitäten einzuschränken, um Energie für die Arbeit oder andere Verpflichtungen zu sparen, wirkt sich nur kurzfristig entlastend aus. Denn negativer Stress kann so nicht mehr kompensiert werden und der Lebensinhalt wird auf wenige verbleibende Bereiche reduziert. So besteht langfristig das Risiko, die eigene Lebensqualität und Lebensfreude zu verlieren, falls es in diesen noch verbliebenen Lebensbereichen zu anhaltenden Belastungen kommt und sich dadurch der Eindruck anhaltender Fremdbestimmung verfestigt.

Freiräume schaffen durch konsequente Ausblenden und bewusste Heraushalten beruflicher Inhalte aus meiner Freizeit – der „me-time“ – ist eine Investition, die sich ebenfalls langfristig auszahlt. Denn durch die „Evolution der Arbeit“ – von der Selbstversorgung zur modernen Dienstleistungs- und Verfügbarkeitsgesellschaft – erschwert der zunehmende Anteil an Kopfarbeit eine strikte Trennung zwischen Arbeit und Freizeit, da der Kopf im Vergleich zu einem Werkzeug immer verfügbar ist – häufige Annahme ist hier: „Kurzes Nachdenken über ein aktuelles Problem schadet ja nicht und spart mir später Zeit.“ Doch mehr als 15 Minuten Nachdenken über momentane berufliche Hürden nach dem Arbeitstag ist selten produktiv, geht sehr leicht ins Grübeln über und dient letztlich nur noch der Selbstberuhigung – dient also vor allem dazu, Ängste zu reduzieren und ist nur bedingt geeignet, wirklich Probleme zu lösen. Insbesondere elektronische Hilfsmittel wie VPN, Online-Verfügbarkeit, Smartphones und Tablets verwischen die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben durch ständige Erreichbarkeit und die Dauerverfügbarkeit von Informationen. Stellen Sie sich die Frage: „Möchte ich zulassen, dass ich so mit mir umgehe?“

Durch Prägung und Erfahrungen entwickelt jeder Mensch Erwartungen an die eigene Leistungsfähigkeit in Form von Verhaltensregeln und -plänen, die sein Handeln und seine Entscheidung im Alltag wesentlich beeinflussen. Beispiele solcher Verhaltenspläne sind „Sei pflichtbewusst.“ oder „Mache keine Fehler.“, ein Beispiel für eine Verhaltensregel wäre „Wenn Du eine Aufgabe übernimmst, dann solltest Du sie auch zu Ende bringen.“ Diese Pläne und Regeln bestimmen nicht nur das berufliche (und private) Engagement oder die eigenen Leistungsmotive. Sie erschweren es den betroffenen Personen sogar, diese Regeln bei Krankheit oder anderen Belastungen zu lockern oder aufzugeben – „Denn nur wenn ich sie umsetze, dann fühle ich mich gut. Sonst fühle ich mich schuldig oder empfinde mich als Versager.“ Hier hilft eine Selbstreflexion: Sind Regeln oder Pläne, die sich gut anfühlen, auch wirklich gut für mich? Denn wenn ich mich konsequent immer wieder überfordere, dann werde ich ein Arbeitsjahr vielleicht gut überstehen. Aber überstehe ich auch zehn Jahre, oder zwanzig? Überdenke Sie Ihre Verhaltensregeln und Pläne und fragen Sie sich, ob Sie es zulassen können, diese geringfügig zu modifizieren, z.B. „Sei pflichtbewusst, solange Du ausreichend belastbar bist.“ oder „Ich darf auch mal einen Fehler machen.“ Wenn Sie dann versuchen, die neuen Regeln konsequent zu leben, so werden Sie sich wahrscheinlich erstmal schuldig fühlen, weil Sie dadurch Ihren bisherigen Verhaltensplänen und -regeln widersprechen. Doch wird der veränderte Umgang mit sich selbst zunehmend vertrauter und selbstverständlicher, dann fühlt sich ein selbstfürsorglicher Umgang nach einer Weile nicht mehr „ungewohnt“ bzw. „falsch“ an und Veränderungen können besser akzeptiert werden. So werden Sie sich zunehmend am Ist-Wert und nicht mehr am einem fiktiven Soll-Wert orientieren.

Stressmanagement sollte zur Vorbeugung erfolgen, am Stressor selbst oder an den Auswirkungen ansetzen. Hier greifen viele, auch bereits genannte Maßnahmen, wie realistische Zeiteinteilung, eine konsequente Trennung zwischen Arbeit und Freizeit, Einhalten der Arbeitszeiten (inklusive außerberuflicher Kopfarbeit), Pausenmanagement, Verteilung der Belastungen auf die gesamte Woche, Einschränkung der Erreichbarkeit, durch mehr positiven Stress (z.B. Sport und Bewegung zur Verbesserung des Körperempfindens), durch Selbstoffenbarung gegenüber Vertrauenspersonen und aktive Konfliktbewältigung, durch das Formulieren realistischer Belastungsgrenzen und nicht zuletzt: Jeden Tag etwas für mich selbst tun. Stressmanagement kann und sollte vielseitig sein, um Lebensqualität zu erhalten und idealerweise auch zu steigern.

Fazit: Die Förderung der Selbstfürsorge dient dem Erhalt der beruflichen Langzeitmotivation, den Erhalt der Sinnhaftigkeit der und der Befriedigung durch die eigene Tätigkeit sowie der Prävention körperlicher & psychischer Erkrankungen durch anhaltender (Stress-)Belastungen. Sie ist eine langfristig ausgerichtete Maßnahme. Die unterschiedlichen Ansatzpunkte sind vielfältig und jeder Mensch kann selbst entscheiden, welche Einzelmaßnahmen er selbst für wichtig und erstrebenswert erachtet. Übrigens: Wenn Sie sich für die Umsetzung jeder einzelnen Maßnahme selbst belohnen, so festigt sich die positive Einstellung zur Veränderung schneller.

Weiterführende Informationen:

Checkliste für die eigene Selbstfürsorge – ein Hilfsmittel zur Überprüfung der eigenen Selbstfürsorge im Beruf und Alltag

Fortbildungsveranstaltung „Selbstfürsorge im Beruf“ für kleine Unternehmen oder soziale Einrichtungen und Vereine.